........................................................................................................................................................................................................................................................................................

 

 

 

 

IR – WIR BRAUCHEN DICH

  

Quelle

Pro-Bahn

Erscheinung

August 1997

Schlagzeile

IR – Wir brauchen Dich

 

  „Bleibt er nun, oder muß er gehen ? Die Rede ist vom InterRegio. Ständig kommen widersprüchliche Meldungen aus der Zentrale der Deutschen Bahn AG. Eine Zeitlang hieß es, der IR und der IC würden zu einem Produkt zusammengeführt.
 

 Ein richtungsweisendes Konzept

 Der IR hat den Schnellzug abgelöst. Er sollte den Fernverkehrsmarkt unterhalb des Angebots des IC für die Bahn erschließen und sich auszeichnen durch:
 

1. Bedienung von festen Linien im 2-Stunden-Takt
2. moderne, ansprechende Wagen
3. ansprechende Gastronomie
4. mittlere Reisegeschwindigkeit 90 km/h
5. mittlerer Haltestellenabstand 30 km (Anm.: hier 10 km)
6. Verlängerungen über die Linien hinaus in Feriengebiete

 

Das waren die Vorgaben, als der erste InterRegio 1988 von Hamburg nach Göttingen startete. Was ist daraus geworden ?
 

 

Ein überzeugendes Produkt

 Das Image des IR ist bisher unverwechselbar verbunden mit den blau-weißen Wagen, die innen ganz anders sind, als man sich Eisenbahnwagen bisher vorstellte. Statt den herkömmlichen Abteilen des Schnellzug und der anonymen Großraumwagen des IC lädt eine vielfältige Sitzlandschaft im IR zum Verweilen ein. (Anm.: deshalb ziehe ich noch heute ein IR fast jedem IC vor) Er ist so familienfreundlich, wie kein anderer Zug in Deutschland: Kindersitze, Tische, relativ viel Platz  zum Bewegen. Auch die Fahrradmitnahme ist zu seinem Markenzeichen geworden, und das Bistro hat sich so großer Beliebtheit erfreut, daß sein Konzept auch in den ICE übernommen wurde. (...)
 

 

Das Stiefkind im Konzern  

Gleichwohl war der IR das Stiefkind im Konzern. Wie man kleinen Geschwistern das Vorbild ihrer großen, erfolgreichen Geschwister vorhält, so wurde der IR nicht entwickelt und gemanagt, sondern gescholten, weil er nicht auf Anhieb brachte, was man von ihm verlangte. Ihm wurde das Sparen verordnet. Nach Art der guten Sparwirtschaft bekam der IR die Auflage, Zugkilometer einzusparen. Und die Manager gehorchten: Sie strichen hier eine Fahrt und dort einen Zug, sie durchlöcherten das System, das dem Fahrgast merkbare Fahrpläne und Zuverlässigkeit bringen sollte. Die Betreuung des IR wurde in den Niederlassungen denselben Leuten übertragen, die auch den IC managten. Der IR wurde immer wieder als Lückenbüßer für Fahrplansünden eingesetzt, er mußte Probleme lösen, die der IC nicht lösen konnte.
 
 

InterRegio – Das unbekannte Wesen  

Während der ICE und IC landauf - landab in den Medien einen hohen Stellenwert haben, kommt der IR dort kaum vor. Wenn Oberbürgermeister und Stadträte, Geschäftsleute und IHKs Fernverkehrszüge mit hoher Qualität sprechen, meinen sie IC und ICE. Daran sei das Management der DB selbst Schuld. Mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit hat dem IR ein Schattendasein verordnet. (...)
 
 

Schlechte Auskünfte – Schlechte Tarife 

Daß der Fahrgast schlechte Auskünfte bekommt, weil ihm nur die schnellste Verbindung nennt, und in erster Linie entlang des IC-Netzes  gesucht wird, ist bereits von PRO BAHN ausführlich beschrieben und gerügt worden. Die Unfähigkeit der EDV, mehrere alternative Auskünfte zu geben, ist nicht beseitigt worden. So sitzt mancher Reisende im IC, obwohl er im InterRegio besser bedient wäre.

Auch auf die Tarifreform wartet der IR vergeblich. Immer noch kostet der IC Zuschlag und suggeriert, besser zu sein, obwohl er das nicht ist. Ein IR-Fahrpreis würde dem Zug einen neuen Stellenwert einräumen.

 

 

Der Unterschied

WOVON LEBT DER IC ?

 

Wenn der IC abends sein Ziel erreicht, dann brodelt um den Bahnhof noch das Leben. Vor dem Bahnhof steht ein Dutzend Taxen und wartet auf Fahrgäste. U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse fahren noch, bis weit in die Vororte hinaus. Im Bahnhof haben Kioske und Fahrkartenausgaben noch geöffnet.

Morgens, wenn der Zug wieder abfahrbereit am Bahnsteig steht, sind die ersten Busse und Regionalzüge schon angekommen. Die Morgenzeitungen liegen stapelweise druckfrisch im Zeitschriftenhandel. Das Reisezentrum ist schon besetzt.

DIE REGION IST ANDERS !

 

Wenn der letzte IR sein Ziel erreicht, sind die Bahnsteige zwar noch hell erleuchtet, aber der Zugbegleiter ist der einzige Eisenbahner weit und breit. Die Reisenden eilen durch eine gähnend leere Bahnhofshalle oder durch den Seitenausgang um das Gebäude herum. Der Kiosk ist längst geschlossen, auch in der Fahrkartenausgabe ist niemand zu mehr finden. Der Taxistand ist verwaist, der letzte Bus ist längst weg. 

Morgens, wenn der erste IR abfährt, sind zwar schon einige wenige Regionalzüge angekommen, aber die Busse sind noch lange im Depot.  Vor dem Zeitschriftenstand stapeln sich Pakete, die erst noch ausgepackt werden müssen. Die Fka ist noch geschlossen, die Fahrkarten verkauft der Zugbegleiter.
 


 

Integration in den Takt

Der IR muß in den regionalen Takt eingebunden werden. Überall dort, wo das Verkehrsaufkommen nicht so hoch ist, daß der IR von den Durchreisenden leben kann, braucht er Fahrgäste des Regionalverkehrs. Das ist zwischen Salzburg und München, zwischen Konstanz und Stuttgart und auf vielen Strecken abseits der großen Hauptverkehrswege der Fall. Hier muß der IR nicht so schnell wie möglich fahren, sondern gerade so schnell, wie es nötig ist, um möglichst viele Fahrgäste gut zu bedienen. Gegen diesen Grundsatz verstößt die DB mit ihrer aktuellen Fahrplanpolitik aber immer wieder und macht sich somit zum unzuverlässigen Partner. Der InterRegio muß in dem Takt fahren, den die Region braucht. Veränderungen müssen mit der Region zusammen geplant werden. Wo dies nicht geschieht, entsteht das Fahrplandurcheinander, das den Fahrgast verärgert.
 
 

Integration von Bahn und Bus

In manchem Bahnhof, in dem der InterRegio hält, gibt es keinen Anschluß auf der Schiene. Manches wichtige Ziel, vor allem im touristischen Bereich, liegt abseits der Schiene. Wann Busse fahren, ist ein wohlgehütetes Geheimnis, keine Fahrkartenausgabe weiß darüber Bescheid. Welche Erklärung gibt es, daß in den Fahrplan-Blättern, die im Zug ausliegen keine Busanschlüsse vermerkt sind ? Sind die IR-Linien noch nicht systematisch darauf überprüft worden ? So hört man am Fahrkartenschalter immer wieder: " Da kommen Sie nicht hin."(...)
 
 

Kooperation? Nein Danke!

Die Zusammenarbeit zwischen Fernverkehr und Nahverkehr kann noch einen Schritt weitergehen: Warum eigentlich fährt der IR dort, wo er nicht mehr sinnvoll ist, nicht im Nahverkehr weiter? Im Prinzip geht das: Der IC fährt als RE nach Oberstdorf und Berchtesgaden. Nur, hier haben sich die Fahrplaner abgesprochen, mit den Bestellern des Nahverkehrs gibt es keine Kontakte und schon gar keine Vereinbarungen. Und wenn ein Fernverkehrszug einmal im Takt des Regionalverkehrs fährt, ist es vom guten Willen des Fernverkehrs abhängig, ob er die Fahrgäste der Region mitnimmt. Gewiß: Das Verhältnis zwischen Fernverkehr und Bestellern des Nahverkehrs ist schwierig. Aber man kann es nur verbessern, wenn man miteinander redet. Aber schon daran fehlt es in vielen Bundesländern!
 
 

Der IR und seine Wagen

Alle Wagen der IR sind aus alten Schnellzugwagen Am und Bm hergestellt worden. Diese Wagen waren vorher schon mehrere Jahrzehnte ununterbrochen im Verkehr. Deshalb ist die „Nutzungsdauer" der Wagen auf nur auf 10-15 Wagen beschränkt. Da die IR Kassel-Konstanz die ersten IR im Bundesgebiet waren, sind folgerichtig die Wagen die ältesten. Manche Wagen sind bereits an der theoretischen Grenze von 10 Jahren angekommen - eine erneute „Modernisierung" ist bisher nicht durchgeführt worden, obwohl manche Wagen dies bitter nötig hätten!
 

 

Der IR ist unverzichtbar!

Die Regionen können auf den InterRegio nicht verzichten. Nicht nur von Hamburg nach München braucht man Direktverbindungen, sondern auch an den Bodensee, die Mosel, ins Erzgebirge. In den Zentren müssen die Ziele auf den Abfahrtstafeln präsent bleiben! Der Fahrgast braucht Querverbindungen durch das Land, von Karlsruhe nach Dresden, Düsseldorf bis Chemnitz. Wenn sich die Bahn vom IR zurückzieht, verliert sie einen ganzen Markt und Chancen in der Region !  Wir brauchen nicht nur Bummelzüge und blitzschnelle ICE, sondern auch mittelschnelle InterRegio !!!