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Quelle

Südkurier  ;   www.skol.de

Erscheinung

18.01.01

Schlagzeile

InterRegio am Prellbock

 

INTERREGIO AM PRELLBOCK

Knapp zwei Jahre soll es also mit den Interregios im Land weitergehen. So sieht der Kompromiss aus, den Baden-Württembergs Verkehrsminister Ulrich Müller mit der Bahn ausgehandelt hat. Das ist Balsam für die Bahnseelen in Oberschwaben, Hohenlohe und im Schwarzwald. Aber ist es auch ein Erfolg der Verkehrspolitik? Mitnichten. Es ist ein Burgfrieden, mehr nicht. Und obendrein ein Paket, in dem man hat zusammenwachsen lassen, was gar nicht zusammengehört.

Denn das hat Bahnchef Hartmut Mehdorn immer schon gesagt: Zum Fahrplanwechsel im September 2002 will er gehörig Remedur machen im Betrieb. 16 Millionen tiefrote Zugkilometer sollen, soweit sie im Schuldenbuch der Bahn stehen, aus dem Fahrplan verschwinden. An diesem Ziel hält er unbeirrt fest: ICE und Intercity sollen die Massen der Fahrgäste an der Perlenkette der deutschen Metropolen einsammeln. Am unteren Ende wird es den von den Ländern bezahlten Regionalverkehr geben. Und dazwischen? Nichts. Insbesondere der Interregio, dieses vor zehn Jahren so hoffnungsfroh gestartete Nachfolge- "Produkt" für den Schnellzug, das die Länder Fernverkehr und die Bahn Regionalverkehr nennen, wird sterben. Wenn - ja wenn die Länder nicht einspringen. Hier genau verläuft die Front. Seit 1994 die Bahn privatisiert wurde, erhalten die Länder für den Betrieb defizitärer Nahverkehrszüge jährlich 14 Millionen Mark vom Bund, mit steigender Tendenz. Was aber Nahverkehr ist und was Fernverkehr, das hat Bahnchef Mehdorn in Streit gestellt.

Zwar basteln Baden-Württemberg und Bayern zurzeit an einem Gesetz, das Klarheit schaffen soll. Aber wenn sich der neue Berliner Verkehrsminister Kurt Bodewig nicht bewegt und wenn er vor allem seinen Finanzminister Hans Eichel nicht zum Rollen bringt, wird daraus nichts werden. Solange wird auch Mehdorn darauf verweisen, dass zum Beispiel der Interregio 2479 morgens zwischen Stralsund und Hamburg rappelvoll ist mit Berufspendlern, dann aber menschenlos längs durch die ganze Republik fährt, bis er am Abend ab Villingen wieder die Werktätigen in Richtung Konstanz einlädt. Wir kommen nicht drum herum: Der Interregio ist auch deshalb so bequem und beliebt, weil er meistens leer ist.

Wer Regionalverkehr erfahren will, wie er uns für den Interregio durchaus entschädigen könnte, dem sei das Beispiel Berlin empfohlen: Doppelstockwagen für gut 200 Kilometer Entfernung im Halbstundentakt mit Frühstücksbar und Zeitungskiosk, eng verknüpft mit S-Bahn und ICE, Reisegeschwindigkeit 90. Davon freilich ist der Kompromiss weit entfernt. Die 30 Millionen, die Müller zur Modernisierung des Wagenparks locker macht, beziehen sich auf Polster und Toiletten für 800 betagte "Silberlinge", die im Ländle herumtuckeln und sich vom Viehtransporter nur in der Zahl der Achsen unterscheiden.

So lange die Fahrgäste also wie weiland Hans im Glück die Sorge haben müssen, dass sie einen Goldklumpen für einen Schleifstein eintauschen, werden sie weiter lieber die Ökosteuer aufs Auto bezahlen. Dass private Unternehmer schnell Erleichterung schaffen können, muss nach den bitteren Erfahrungen mit der bayerischen Oberland-Bahn fürs Erste bezweifelt werden. Den Wagen der Bahn-Privatisierung haben schließlich Bund und Länder auf den Prellbock gefahren. Es ist ihre Sache, ihn wieder flott zu kriegen.