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INTERESSANTE ZEITUNGSMELDUNGEN

 

 

Quelle

Südkurier  ;   www.skol.de

Erscheinung

29.09.00

Schlagzeile

Was ist Fernverkehr, was ist Nahverkehr?

 

WAS IST FERNVERKEHR, WAS IST NAHVERKEHR?

Der Konflikt um die InterRegios ist auch ein Bund-Länder-Konflikt. In der Bahnreform wurde festgelegt, dass zum Schienennahverkehr in der Regel Strecken von höchstens 50 Kilometer oder einer Stunde Fahrzeit gehören. Der Nahverkehr muss von den Ländern bei der Deutschen Bahn oder anderen Gesellschaften bestellt werden. Die Länder stehen für diese Angebote auch finanziell in der Pflicht. Für den Fernverkehr ist der Bund zuständig. Politisch gewollt - aber nicht gesetzlich vorgeschrieben - ist, dass die Deutsche Bahn ihn voll kostendeckend selbst organisieren muss. Während also der Regionalexpress von Konstanz nach Offenburg vom Land bestellt und auch subventioniert wird - das Land erhielt hierfür auch Mittel vom Bund - muss der InterRegio auf derselben Strecke - ein Angebot des Fernverkehrs - sich selbst tragen.

Die Bahn hat daher ein Interesse, ihre Interregio-Angebote aus dem Fernverkehr zu nehmen und an den Nahverkehr abzugeben, für dessen Defizite sie nicht geradezustehen hat. Andererseits widerspricht dies den Grundsätzen der Bahnreform. In Paragraph 87e, Absatz 4 des Grundgesetzes heißt es: "Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird."

Der RegionalExpress zwischen Konstanz und Offenburg ist kein echter Nahverkehr im Sinne der eingangs erwähnten Definition. Er wird aber als solcher zwischen Bahn und Land abgerechnet. In diesem Punkt also wurde die Bahnreform bereits durchlöchert - nicht nur in Baden-Württemberg. Wenn sich die Landesverkehrsminister Ende des Monats in Frankfurt treffen, wird es auch um diese Nahtstelle zwischen Fernverkehr und Nahverkehr gehen. Sollten Bahn, Bund und Länder zu der Überzeugung gelangen, dass InterRegios besser in der Verantwortung der Länder aufgehoben sind, - Landesverkehrsminister Ulrich Müller hat bereits signalisiert, dass sich das Land dazu in der Lage sieht - dann müssen vom Bund mehr Gelder an die Länder fließen. Weil aber die so genannte Allgemeinwohlverantwortung für den Fernverkehr nach der jetzigen Gesetzeslage beim Bund liegt, wäre dann eine Reform der Bahnreform notwendig.

Die andere Lösung: Der Bund bestellt (und subventioniert) die InterRegios, die sich für die Bahn nicht rechnen, wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfordert. Das würde den Präzedenzfall schaffen, dass auch Angebote des Schienenfernverkehrs subventioniert würden. Dagegen sperrt sich der Bund. Eine Art Königsweg haben die Grünen aus Rheinland-Pfalz vorgeschlagen, wo ebenfalls InterRegio-Verbingungen auf der Streichliste stehen. Der Bund solle den Mehrwertsteuersatz für den Fernverkehr von 16 auf 7 Prozent senken (beim Nahverkehr beträgt er bereits 7 Prozent). Das brächte der Bahn an die 500 Millionen Mark an Ersparnissen. Bei einer  Unterdeckung der InterRegio-Verbindungen von 300 Millionen Mark würde die Steuersenkung ausreichen, den Betrieb der InterRegios finanziell abzusichern. Die Bahn müsste sich im Gegenzug für vier Jahre verpflichten, die InterRegios im bisherigen Umfang verkehren zu lassen. In diesem Zeitraum müssten Bund, Länder und Bahn eine langfristige Lösung für den überregionalen Schienenverkehr unterhalb der ICE-Ebene finden.

Auch Bahnchef Hartmut Mehdorn fordert eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes im Fernverkehr. Die Forderung erscheint nicht abwegig. Im europäischen Vergleich liegt der derzeitige deutsche Satz von 16 Prozent mit Abstand an der Spitze. In der Schweiz sind es 6,5, in Österreich 10, in Frankreich 5,5 Prozent. In Dänemark, Großbritannien und Irland ist der Schienenfernverkehr von der Mehrwertsteuer vollständig befreit.

Bewegung könnte in die Diskussion kommen durch zwei Nachrichten dieser Woche: Zum einen will die Bahn laut Bahnchef Hartmut Mehdorn ihr bisheriges Trassenpreissystem aufgeben. Bisher galt ein Preissystem mit Mengenrabatt. Das heißt, jene Gesellschaften, die viel Verkehrsleistung auf den Schienen erbringen, erhalten Nachlässe auf den Preis, den sie für die Nutzung der Trasse an die DB Netz AG zu zahlen haben. Dadurch kam die Deutsche Bahn selbst natürlich am billigsten weg, weil sie immer noch den Gro§teil der Schienenverkehrsleistung erbringt. Ab 2001 soll Schluss damit sein, dann sollen für alle dieselben Preise gelten. Das könnte dem Wettbewerb - auch im Fernverkehr - neuen Schwung geben.

Die zweite Nachricht: Die Pälmann-Kommission, die im Auftrag der Bundesregierung Vorschläge zur Finanzierung von Verkehrswegen erbringen sollte, ist zu dem Schluss gekommen, dass das Schienennetz besser wieder in die Verantwortung des Bundes übergeht. "Die Rückführung des Netzes in unmittelbares staatliches Eigentum ist die klarste und ehrlichste Lösung", heißt es in dem Bericht. Die DB Holding würde ihre Teilgesellschaft DB Netz wieder an den Bund geben und hätte die Sorge um den Streckenunterhalt los. Der Bahnchef hält allerdings von einer Herauslösung der DB Netz nichts. Weil Rad und Schiene ein System bildeten, sei "eine vertikale Integration von Netz und Betrieb für die Zukunft der Bahn unabweislich", wird Mehdorn in einer Bahn-Mitteilung von Ende August zitiert. Sein Argument: Bei moderner Sicherheits- und Leittechnik, bei der man in Schiene und Fahrzeuge zugleich investiert, sei der Einsatz neuester Technik bei einer Trennung von Netz und Betrieb erschwert.