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INTERESSANTE ZEITUNGSMELDUNGEN

 

 

Quelle

Süddeutsche Zeitung

Erscheinung

11.07.00

Schlagzeile

Bahn hängt ganze Regionen ab

 

DIE BAHN HÄNGT GANZE REGIONEN AB

Bis zum Jahr 2003 will das Staatsunternehmen aus Kostengründen jeden vierten bis fünften Fernzug ausrangiert haben

Wer künftig mit dem Zug ins Allgäu fährt, kommt nicht mehr so bequem und schnell ans Ziel wie bisher. Die Deutsche Bahn (DB) streicht im nächsten Jahr jede zehnte Zugverbindung im Fernverkehr. Davon betroffen ist auch die Interregio-Linie Nummer 25 von Hof über Regensburg und München nach Oberstdorf. Die Linie 25 endet künftig werktags in Kempten, nur an den Wochenenden fahren noch einige wenige Interregios (IR) weiter bis Oberstdorf. Reisende, die in die Berge
unterwegs sind, müssen in Kempten in einen Nahverkehrszug umsteigen und dabei womöglich lange auf den Anschluss warten. Auch der Bodensee ist von 2001 an schwieriger mit der Bahn zu erreichen. Zwei IR-Linien aus dem Westen und dem Norden, die Lindau und Konstanz bislang an das Fernverkehrsnetz der Bahn anschließen, enden mit Ausnahme eines Zugs in Zukunft schon in Ulm und Karlsruhe.

Das Staatsunternehmen Bahn hänge „ganze Regionen vom Fernverkehr ab“, kritisiert Bayerns Verkehrsminister Otto Wiesheu (CSU) und spricht vom „größten Kürzungsprogramm“ seit Jahrzehnten. Es kommt sogar noch schlimmer. Ein weiterer, noch viel größerer Einschnitt in das Fernverkehrsnetz ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2003 geplant. Bis dahin will die Bahn insgesamt mehr als 40 Millionen der gegenwärtig knapp 180 Millionen Zugkilometer pro Jahr im Fernverkehr streichen, vor allem bei den IR-Linien. Das bedeutet, jeder vierte bis fünfte Fernzug wird ausrangiert. Die Interregios rechneten sich nicht, sagt der DB-Vorstand. Die Bahn müsse sparen. Verantwortlich dafür ist nach Ansicht des CSU-Politikers Wiesheu die Bundesregierung. Die rot-grüne Koalition bezeichne sich als „Freund der Bahn“, sie habe aber kein Konzept für die Schiene, sagt Wiesheu.

Das Staatsunternehmen steckt in einer schweren Finanzkrise und will überall sparen, vor allem beim Fernverkehr. Eine solche „Schrumpfbahn“ müsse verhindert werden, hatte noch im Frühjahr Rezzo Schlauch, Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, erklärt. Dann entdeckte Schlauch seine Liebe zum Auto. Zu den Plänen der Bahn, viele Züge auf das Abstellgleis zu schicken, fällt dem Fraktionschef dagegen nichts ein. Auch der Koalitionspartner SPD schweigt.

Die Verkehrsminister der Länder hatten schon vor Wochen die Bahn aufgefordert, die Interregios weiter fahren zu lassen, bis man gemeinsam ein neues Konzept für die Schiene erarbeitet habe. Doch Bahn-Chef Hartmut Mehdorn verfolgt eine andere Taktik. Er sagt den Ländern, sie sollten als Ersatz für die Interregios bei der Bahn mehr Regionalzüge
bestellen und bezahlen. Die für den Nahverkehr zuständigen Länder sind davon aber gar nicht begeistert. Die Bahn täusche sich, wenn sie glaube, sie könne Fernverbindungen streichen und dann auf Kosten der Länder das regionale Zugangebot ausweiten, sagte Wiesheu der SZ. Für  den Fernverkehr sei der Bund zuständig. Hier gebe es eine „Gemeinwohlverpflichtung“. Die Bahn dürfe sich nicht aus der Fläche zurückziehen. Der neue Fahrplan sieht anders aus. An vielen Regionen vom Bodensee bis zur Ostsee fahren die Fernzüge künftig vorbei. In Mecklenburg-Vorpommern werden fast alle Interregio-Linien gekappt.
 
 

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